BUND Kreisgruppe Krefeld

Naturnahe Nutzgärten, samenfestes Saatgut, Ernährung

Der WDR zu Besuch bei Chris

Tipps von Chris

Liebe Freunde des naturnahen Gärtnerns,

gerade seit wir uns alle sehr viel zu Hause aufhalten müssen, wird Natur und der Aufenthalt darin immer wichtiger. Vielleicht ist es uns auch jetzt erst richtig bewusst, wie sehr wir die Natur brauchen und wie gut sie uns tut. Wer einen Garten, eine Terrasse oder einen Balkon hat, denkt vielleicht darüber nach, wie schön es doch wäre, eigenes Gemüse und Obst anzubauen, für leckere Tomaten und Möhren nicht in den Supermarkt fahren zu müssen, sondern einfach den Arm auszustrecken und was Leckeres zu ernten.

Das ist eine richtig gute Idee, denn es ist gar nicht so schwer, macht wirklich viel Spaß und ist nicht zuletzt eine große Hilfe für Insekten und Kleinstlebewesen. Nutzpflanzen blühen und geben so unseren Insekten Nahrung und wenn man die Pflanzen über den Winter nicht alle entfernt, durch ihr Blattwerk auch Wetterschutz und kuschlige Kinderstube.

Seit vielen Jahren baue ich in meinem großen Garten Gemüse, Obst, Heilpflanzen und Kräuter an. Allein an Tomaten um die 50 Sorten, und auch mehrere Sorten Gurken, Bohnen, Kürbisse, Zucchini und vieles mehr. Ein Heer von Vögeln, Erdkröten, Spitzmäusen, Igeln, Marienkäfern, Florfliegen, Schlupfwespen, Raubwanzen und Ohrenkneifern hilft mir dabei, dass Schädlinge in Grenzen gehalten werden und meine Pflanzen gedeihen. Und wie schön das alles aussieht, wie bunt.J Lila Möhren, Rosa oder gesprenkelte Bohnen, grüngoldene, gelbe, lila, weiße oder braune Tomaten, gestreift und gefleckt, birnen-, herz- oder sackförmig, eine unendliche Vielfalt! Und wenn es dann an die Ernte geht…der Duft, der Geschmack, die Freude, aus natürlich gedüngter Erde gesunde Nahrung zu bekommen, die Schönheit des Ganzen und die Zufriedenheit, die das mit sich bringt..

Gärtnern ist Glück. Ganz klar. 

In einem eigenen Garten kann man natürlich mehr anbauen, als etwa auf einem Balkon. Aber auch dort gedeihen – bei entsprechender Sortenwahl und ausreichend Sonne – Gemüse, Obst, Kräuter und Heilpflanzen. Viele Gemüse mögen z.B sehr gern in Terracottatöpfen wachsen, denn die erwärmen sich in der Sonne und machen warme Füße und die haben die meisten Pfanzen gern. Und wer gar keine Möglichkeit hat, Eigenes bei sich zuhause anzubauen, der kann sich in seiner Umgebung mal nach Schrebergärten, Ackerparzellen vom Bauern oder Gemeinschaftsgärten umschauen. Möglichkeiten gibt es zuhauf.

Wenn wir nun wissen, wo wir Nutzpflanzen wachsen lassen wollen, kommen wir zum Wichtigsten: Dem Saatgut! Ohne gesundes Saatgut, das uns starke Pflanzen und gute Erträge mit schmackhafter Ernte schenkt, und ohne die Option, eigenes Saatgut zu vermehren, macht naturnahes Gärtnern wenig Sinn. Und deshalb, bevor ihr loslegt und irgendwas einsät, was Euch gerade in die Finger kommt:

Achtet darauf, samenfestes Bio-Saatgut zu nutzen, denn wenn Ihr mit den bunten Tütchen in Baumärkten und Gartencentern liebäugelt, müsst ihr wissen, dass das beinahe ausschließlich F1-Hybrid-Samen sind, also von einer riesigen Saatgutindustrie designte, für eine erfolgreiche Nachzucht nicht geeignete Samen. Hybride sind Pflanzen, die auf Ertrag, Lager- und Transportfähigkeit, aber nicht auf Geschmack und Nährstoffgehalt gezüchtet wurden. Sie sollen aussehen wie schönes, gleichmäßig geformtes Gemüse und Obst, lange auch frisch erscheinen und durch eine härtere Konsistenz oder Schale den Transportweg gut überstehen. Ob sie schmecken oder gesunde Inhaltsstoffe haben, interessiert nicht so sehr.

Seit ein paar Jahren konzentriert sich das Saatgutgeschäft auf immer weniger Firmen. In Europa auf Monsanto/Bayer, Chemchina/Singenta, BASF und in Amerika zusätzlich auf Dow Chemical und DuPont. Alles Firmen, die eigentlich ursprünglich Chemikalien/Pestizide herstellten und das auch noch tun. Die Idee, Hybrid-Saatgut anzubieten, ist ökonomisch gar nicht schlecht. Da kein eigenes Saatgut von den damit angebauten Pflanzen zu ernten ist, muss der Bauer oder Kleinbauer jedes Jahr neues bei der Industrie kaufen. Aus Hybridsaatgut wachsen Pflanzen, die ihre eingezüchteten Eigenschaften nicht an die nächste Generation weitergeben können. Das macht satte Gewinne für die Industrie. Ökologisch ist das jedoch eine Katastrophe: Die Samen können sich nicht – wie das samenfeste Saatgut – an regionale und klimatische Veränderungen über Generationen anpassen und „lernen“ (weil sie ja nie über die 1. Generation F1 hinauskommen), sondern werden– sehr praktisch für die Saatgutindustrie – mit deren Pestiziden und Genveränderungsmethoden „beschützt“, um in den Gewächshallen und Monokulturfeldern irgendwie bestehen zu können. Und es kommt noch schlimmer: Durch die Hybridzüchtungen verlieren wir unsere Artenvielfalt. Denn die großen Konzerne konzentrieren ihre Anstrengungen auf absatzstarke Pflanzenarten, schönes Aussehen und lange Lagerfähigkeit, alle anderen Pflanzen werden nicht weiter angebaut. Gezüchtet wird, was Geld bringt. Global betrachtet liefern nur noch 30 Pflanzenarten 95 % der pflanzlichen Nahrungsmittel, allen voran Weizen, Reis und Mais. Dabei wären rund 30.000 Pflanzenarten für den Menschen nutzbar. Die Konzerne kaufen oder pachten weltweit Ackerflächen, auf denen dann die wenigen Hybridsorten mit den Pestiziden aus gleichem Haus angebaut werden – und die regionalen Sorten der Kleinbauern, die vorher dort über Jahrhunderte angebaut wurden, eben nicht mehr. Riesige Flächen ehemals natürlich bebauter Erde gehen so an die Industrie verloren.

Über 70 % der Gemüsesorten, die wir heute in Europa in den Läden kaufen, kommen von Monsanto/Bayer und Chemchina/Syngenta! Experten des Internationalen Gremiums für nachhaltige Lebensmittelsysteme (IPES-Food) haben errechnet, dass die vier Konzerne über 60 % des weltweit verkauften Saatgutes und 80 % aller Pestizide herstellen!

Die Saatgutindustrie ist außerdem daran interessiert, dass die von ihr gezüchteten Sorten patentiert werden und nur diese im Markt zulässig sind. Leider hat die Saatgutindustrie eine große Lobby bei den Regierungen. Sie hat Macht und Geld. Das hat für die Anbauer samenfester, freier und von Gärtner zu Gärtner weitergegebener Sorten weitreichende Folgen: Denn wenn wir das, was im eigenen Garten wächst und schmeckt, nicht selber nachziehen oder verkaufen dürfen, verlieren wir unsere Ernährungssouveränität und geraten in Abhängigkeit von diesen Konzernen und ihren Produkten.

Also fangt es gleich richtig an: Macht Euch schlau. J Samenfestes Bio-Saatgut gibt es bei zertifizierten Biobetrieben. Saatgut, das sich an Region und Klima anpassen kann und auch lernt, effektiv mit Nährstoffen zu wirtschaften und sich gegen Schädlinge und Wildkraut zu behaupten. Saatgut, an dem ihr lange Freude habt und es auch selber vermehren könnt.

Dieses Saatgut erhaltet ihr z.B. bei Dreschflegel, Bingenheimer Saatgut, Biohof Jeebel, dem VEN, dem VERN etc. , bei vielen Tauschbörsen von privaten Saatgutrettern und auch aus der Schweiz z.B. bei ProSpecieRara, in Frankreich bei Kokopelli und in Österreich z.B. bei der Arche Noah oder Reinsaat.

Jetzt im März ist ja alles schon im Gange. Einiges, wie Salat, Kohlrabi, Radieschen darf schon ins Frühbeet. Erbsen, frühe Möhren, rote Bete, Lauch und Zwiebeln schon direkt ins Beet. Es ist noch Zeit, eigene Tomaten auf der warmen Fensterbank vorzuziehen, um sie dann Mitte Mai in den Garten oder unter einen Dachvorsprung zu pflanzen, im April geht es mit dem Vorziehen von Gurken, Kürbissen, Zucchini etc. weiter. Anderes könnt ihr ab Mitte Mai gleich an Ort und Stelle aussäen, bunte Busch- oder Stangenbohnen z.B.


Bei mir sind die Fensterbänke schon voll mit vielen kleinen Tomaten-, Paprika- und Chili-Pflänzchen und viele andere Saatkörnchen warten noch darauf, in den nächsten Wochen eingesät zu werden.

Wenn ihr Fragen zu Anzucht oder Pflege von Nutzpflanzen habt, könnt ihr mir hier

CHRIS

eine Nachricht senden. Ich werde versuchen, zeitnah zu antworten.

Ich wünsche Euch allen viel Spaß beim Ausprobieren und eine erfolgreiche Ernte!

SÄT HIN!  ;-) 

Eure Chris

Wer tiefer ins Thema Saatgutindustrie eintauchen mag…Hier sind die Titel einiger Filme gelistet, die gut erklären, worum es geht:

„Streit um Saatgut“ (Plusminus)

„Mit Gift und Genen“

„Das Saatgut-Kartell“

„Die Saatgut-Retter“ (arte)

„Giftige Saat“